Stiftsdamen in Preußen

 

Zehdenicker Stiftsdamen 1740 - 1945

„Stiftsdame“– eine Auszeichnung

„Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes“ – das war eine der bekanntesten Szenen aus den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Über Generationen hinweg war dieses Symbol vaterländischer Opferbereitschaft in den Schullesebüchern präsent. Die auf solche Weise zur Legende gewordene junge Frau hatte allerdings selbst fünf Jahrzehnte warten müssen, ehe ihr eine offizielle Ehrung zuteil geworden war. Im Jahr 1863, anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Beginns der Befreiungskriege, hatte der preußische König Wilhelm I. die nun fast 65-jährige in Berlin zur Ehrenstiftsdame des Stifts Zehdenick ernannt, verbunden mit der Gewährung einer „Stifts-Pension“. Sehr wahrscheinlich hatte die zu später Ehre gekommene Frau bis dahin die Stadt Zehdenick nie gesehen. Einige Zeit nach den Feierlichkeiten reiste sie aber dorthin, um sich der Oberin und den im Zehdenicker Kloster lebenden Stiftsdamen vorzustellen.

Ferdinande von Schmettau war die zweite Frau, die zur Ehrenstiftsdame in Zehdenick ernannt wurde. Als Ehrenstiftsdame bezog sie nicht, wie die anderen Stiftsdamen, eine Wohnung im Zehdenicker Kloster, sondern blieb an ihrem Heimatort. Auch die im Kloster lebenden Stiftsdamen verdankten ihren Platz einer Ernennung durch das preußische Königshaus. Der Titel „Stiftsdame“ war eine begehrte Auszeichnung, die ihrer Trägerin eine geachtete Stellung in der Gesellschaft und ein festes Einkommen (die so genannte „Präbende“), verbunden mit dem Wohnrecht im Kloster, sicherte.

Vom Nonnenkloster zum Damenstift

Hervorgegangen war das Stift Zehdenick aus einem 1250 gegründeten Kloster der Zisterzienserinnen. Als in der Zeit der Reformation die meisten Klöster aufgelöst wurden, hatte der brandenburgische Landadel darauf bestanden, dass einige dieser Einrichtungen erhalten blieben, damit er dort seine unverheirateten Töchter unterbringen könne. So kam es zwischen Elbe und Oder zur Herausbildung der adligen Damenstifte in Lindow, Heiligengrabe, Marienfließ und eben auch in Zehdenick. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bestanden in Zehdenick sieben Stellen für adlige „Fräuleins“, und dabei blieb es auch bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts.

Weniger schonend gingen die brandenburgischen Kurfürsten und später die preußischen Könige mit den Damenstiften in der Altmark um. Im Jahr 1644, während des Dreißigjährigen Krieges, wurde das Kloster Dambeck aufgehoben und seine Einkünfte dem Joachimsthalschen Gymnasium zugesprochen. Andere, zunächst weiter bestehende Damenstifte wurden in der napoleonischen Ära, als das Gebiet der Altmark zum Königreich Westfalen gehörte, aufgehoben. Nicht alle wurden später  wiederbelebt.
 
Auch östlich der Oder, in der Neumark, hatte es nach der Reformation ein adliges Damenstift gegeben, das aus dem Kloster Zehden hervorgegangen war. Auf Drängen des Kurfürsten wurde es bereits im Jahr 1610 mit Zustimmung des Neumärkischen Landtags aufgehoben, um zehn Studienplätze für arme neumärkische Adelssöhne am 1607 gegründeten Joachimsthalschen Gymnasium zu schaffen. Wegen der desolaten Finanzlage Brandenburgs, verursacht durch den Dreißigjährigen Krieg, war es jedoch auch im Jahr 1652 immer noch nicht zu einer Auszahlung dieser Stipendien gekommen.

Dennoch hielt der Kurfürst an seinem Plan fest, die Universität und die Schulen des Landes zu stärken. Obwohl Brandenburg nur über geringe Ressourcen verfügte, hatte es sich früh aufgemacht, ein moderner Staat zu werden, und der Kurfürst verkündete offen seine Absicht, dem Schulprojekt ein weiteres Kloster zu opfern. Wäre dieser Plan verwirklicht worden, hätte es leicht auch Zehdenick treffen können. 

Fräuleins, Kanonissen, Konventualinnen, Stiftsdamen

Wenn wir hier von „Stiftsdamen“ sprechen, wählen wir eine Bezeichnung, die sich erst in der gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchgesetzt hat. In der ersten Zeit nach der Reformation sprach man von „Fräuleins“ oder „Jungfrauen“, im 18. Jahrhundert dann von „Kanonissen“ (oder, in der französischen Form, von „Chanoinessen“) und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von „Konventualinnen“. Ungeachtet feiner Bedeutungsunterschiede werden wir hier überwiegend den Ausdruck „Stiftsdamen“ verwenden. Eine ähnliche Vielfalt der Bezeichnungen gab es für die Vorsteherin des Klosters. In der Überlieferung tritt sie uns bis 1872 als „Domina“ entgegen, danach jedoch als „Oberin“. Auch war seit dieser Zeit statt vom „Kloster“ öfter vom „Stift“ die Rede. Vermutlich sollten manche immer noch lateinisch-katholisch anmutende Bezeichnungen durch deutsch-evangelische ersetzt werden.

Die Damenstifte waren keine Erfindung der Reformation. Frauengemeinschaften, die ohne ein lebenslang bindendes Gelübde zusammenlebten, gab es schon lange vorher. Und die Wahl der Bezeichnung „Kanonisse“, die seit dem 11. Jahrhundert gebräuchlich war, deutet an, dass man an solche Traditionen anknüpfen wollte.

Wie viele Plätze für Stiftsdamen?

Bei den Klostergründungen des Mittelalters zählte der Konvent traditionell 12 Nonnen oder Mönche. Abhängig von der wirtschaftlichen Lage des Klosters und anderen Faktoren konnte sich diese Zahl nach oben oder nach unten verändern. So ist uns bekannt, dass im Jahr 1394 der Zehdenicker Konvent 17 Mitglieder umfasste. Dreihundert Jahre später gehörten dem Konvent in Zehdenick nur noch sieben Stiftsdamen an. Möglicherweise hatte der Kurfürst die Gelegenheit der Reformation genutzt, um die Konvente der als Damenstifte weiterbestehenden Klöster mehr oder weniger stark zu reduzieren. Es kann aber auch sein, dass die geringere Anzahl der Stellen erst ein Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges war. Wenige Jahre nach dem Krieg, im Jahr 1653, versprach der Kurfürst in einem Landtagsrezess, die Zahl der Konventsglieder wieder auf den Stand „wie vor Alters gewesen“ zu bringen, wenn bei friedlichen Zeiten die Einnahmen wieder in vollem Umfang eingingen. Dazu ist es jedoch in Zehdenick nie gekommen.

Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die Anzahl der vollen Präbenden (Majorpräbenden) um eine erhöht; dazu wurden noch zwei Minorpräbenden geschaffen.

Väter und Töchter - wem galten die Auszeichnungen wirklich?

Bei der Ernennung von Stiftsdamen ging es meist nicht darum, etwaige Verdienste dieser Frauen zu belohnen. Vielmehr sollten die Leistungen ihrer Väter anerkannt werden. In den Traditionen des alten Preußen wie des alten Reiches, die beide in der napoleonischen Zeit untergingen, war dem weiblichen Geschlecht meist nur ein eng begrenzter Wirkungskreis zugebilligt worden. Folgerichtig fehlte auch das Vorbild selbstbewusster, tatkräftiger Frauen, wie es die Geschichte anderer europäischer Länder kannte. Eine preußische Jeanne d’Arc Elisabeth I. Tudor, Katharina die Große, Christine von Schweden oder Maria Theresia hat es nie gegeben. Zudem war es in preußischen und deutschen Adelsfamilien die Regel, wegen des engen Zusammenhangs zwischen Eigentum und Herrschaft Frauen von der Erbfolge auszuschließen, was in Familien des Bürgertums nicht in dieser Konsequenz geschah.

In den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 traten Frauen aus der häuslichen Enge heraus, indem sie sich an vielen Orten der Betreuung Verwundeter widmeten, sogar eigene Lazarette einrichteten. Daran waren adlige wie bürgerliche Frauen gleichermaßen beteiligt. Unter dem Eindruck dieser Bewegung wurde zum ersten Mal eine spezielle Auszeichnung für Frauen, der Luisenorden, geschaffen. In den Listen der Trägerinnen des Luisenordens findet man auch die Namen von Verwandten Zehdenicker Stiftsoberinnen. Auf einer der ersten Vorschlagslisten stand die damals noch ganz junge „Nanny von Schmettau“, allerdings wurde ihr Name durch Friedrich Wilhelm III. wieder gestrichen. Wie bereits erwähnt, mussten fünfzig Jahre ins Land gehen, bis diese Frau noch eine späte Anerkennung fand.

Heiligengrabe, Lindow, Marienfließ, Zehdenick

Unter den vier adligen Damenstiften in der Mark Brandenburg - Heiligengrabe, Lindow, Marienfließ und Zehdenick - nahm das Letztgenannte nicht nur in der alphabetischen Reihenfolge einen der hinteren Plätze ein. Während Heiligengrabe sich der besonderen Förderung durch die preußischen Könige seit Friedrich Wilhelm IV. erfreuen konnte, erhielt Lindow seinen bevorzugten Platz in den Arbeiten Theodor Fontanes. Beides wirkt bis heute nach, und es fällt nicht leicht, die Aufmerksamkeit auf Zehdenick, eins der beiden „Aschenputtel“ in diesem Kreis, zu lenken, dessen Ausstrahlung im Bewusstsein der Öffentlichkeit schon frühzeitig verblasst ist. Und doch lohnt es sich, den Schleier des Vergessens, der teilweise noch über der Geschichte dieses Platzes liegt, ein wenig mehr zu lüften.

Für den Historiker gehört das Kloster Zehdenick auf den ersten Blick zu den eher undankbaren Objekten, denn an schriftlichen Überlieferungen, etwa einem aussagekräftigen Klosterarchiv, mangelt es in Zehdenick über weite Strecken seiner Geschichte. Immerhin sind die Spuren, die dieses Kloster in anderen Archiven hinterlassen hat, vielfältig zusammengetragen worden. Auch den Gebäuden des Klosters, ihrem Untergrund und den anderen noch vorhandenen Sachzeugen ist so manches Geheimnis entlockt worden. So ist denn nach und nach doch noch ein Wissensschatz entstanden, der über viele Seiten der Geschichte des Zehdenicker Klosters Auskunft geben kann. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis aus dem Jahr 2007 informiert über mehr als drei Dutzend Publikationen sowie über zahlreiche Aktenbestände.

Im toten Winkel der Forschung: Die Stiftsdamen

Um so überraschender ist es, dass in allen diesen Arbeiten die Stiftsdamen bestenfalls am Rande des Blickfelds geblieben sind. Schließlich waren sie, die den Konvent des Klosters bildeten, in den 400 Jahren nach der Reformation die eigentlichen Hauptpersonen des Geschehens. Und gerade dann, wenn wir auf dieses Personal des Klosters unseren Fokus richten, werden sich besondere Eigenheiten des Zehdenicker Damenstifts erschließen, die es von allen anderen Einrichtungen dieser Art in ganz Preußen unterscheiden.

Einkünfte, Ausgaben, Aufgaben

Mit der Reformation hatte der Kurfürst den gesamten Wirtschaftsbetrieb des mittelalterlichen Klosters, einschließlich der Abgaben und anderen Einkünfte, die diesem zugeflossen waren, an sich gebracht. Daraus war das kurfürstliche „Amt Zehdenick“ gebildet worden. Aus dem Haushalt dieses Amtes wurden die Ausgaben für die im Kloster lebenden „Jungfrauen“ abgezweigt. Aus adligen Familien kommend, hatten sie Anspruch auf eine angemessene so genannte „Präbende“. Der Kurfürst (und später der König) war also daran interessiert, die Anzahl der Stiftsdamen, die eine Präbende erhielten, in Grenzen zu halten.

Mit der Reformation hatte sich im Alltag der Stiftsdamen zunächst nur wenig geändert. Erst allmählich trat ein Wandel ein. Während zu katholischen Zeiten die Nonnen noch kunstvolle Textilien für den liturgischen Gebrauch anfertigten, eine Mädchenschule unterhielten, Kranke und Gebrechliche pflegten, Arzneipflanzen anbauten und nicht zuletzt für das Seelenheil der Verstorbenen beteten, versank das Klosterleben in den folgenden Jahrhunderten mehr und mehr in gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Die Präbenden verkamen zu reinen Versorgungsstellen. Das wiederum machte die Damenstifte angreifbar. Im Zeitalter der Aufklärung trat die Frage nach der „Nützlichkeit“ solcher Einrichtungen immer mehr in den Vordergrund. Eine neue Welle der Aufhebung von Klöstern und Stiften, auch in katholischen Ländern, war die Folge.

aus der umfangreichen Literatur:

 Streit um die Besetzung der Stiftsstellen

Obwohl das Leben im Damenstift einer gewissen Tristesse nicht entbehrte, war die Nachfrage nach diesen Stellen ungebrochen.  Dabei waren es keineswegs nur verarmte Adelsfamilien, die ihre unverheirateten Töchter dort unterbringen wollten. In Heiligengrabe bestand die Äbtissin von Winterfeldt zur Zeit Friedrichs II. darauf, dass die Stiftung zum Besten des ganzen Adels gemacht worden sei. „Die Wohlhabenden haben hier das gleiche Recht wie die Armen.“ Hier zeigte sich, dass es mit der Solidarität innerhalb des Adels – oft sogar zwischen Familien des gleichen Namens und Adelsgeschlechts - nicht weit her war.  

Ganz vorn: die Sorge um die eigene Familie

Mitunter profitierte eine einzelne Familie gleich in mehrfacher Hinsicht von den Vorteilen, die ihr die Damenstifte boten. So war es nicht selten, dass Präbenden an Schwestern bzw. Cousinen vergeben wurden. Die Zehdenicker Stiftsdamen Anna und Bertha von Arnim waren Schwestern, ebenso Anna und Berta (Bertholde) von Hirschfeld. Ida und Margarete von Sodenstjerna waren vermutlich Cousinen. Unter den Ehrenstiftsdamen gab es ebenfalls Geschwister, so zwei Gräfinnen von Pfeil. Auch Anna, Helene und Wanda von Wolicka, die 1908 zu Ehrenstiftsdamen ernannt wurden, waren Schwestern.

Bezieht man noch weitere Damenstifte in diese Betrachtung ein, so zeigt sich, dass die Namen bestimmter Familien gleichzeitig an verschiedenen Orten auftauchen. So war zum Beispiel Bernhardine Gräfin Poninska, Ehrenstiftsdame von Heiligengrabe, eine Schwester der Zehdenicker Stiftsdame (und späteren Oberin) Apollonia Gräfin Poninska. Den Vogel abgeschossen hat in dieser Hinsicht die Familie von Ziemietzky. Während die Schwestern Louise und Sophie in Zehdenick Stiftsdamen waren und nacheinander zu Oberinnen (mit erheblich höheren Präbenden) gewählt wurden, erhielten zwei weitere Schwestern Präbenden als Konventualinnen des westfälischen Stifts Keppel.

Bereits im Jahr 1766 hatten sich die beiden Heiligengraber Stiftsvorsteher gemeinsam mit dem dortigen Stiftshauptmann beim König darüber beschwert, dass einige adlige Häuser „die königliche Gnade missbrauchten und familienweise in Heiligengrabe wohnen wollten, dagegen aber die armen eingeschriebenen Landeskinder zurückstehen und mit Tränen ansehen müssten, dass andere sich ihnen vordrängen“. Geändert hat sich durch solche Beschwerden offenbar wenig.

Vorteile für die Familie einer Stiftsdame ergaben sich auch aus anderen Praktiken. So war es schon vor der Reformation üblich gewesen, dass Nonnen jüngere Mädchen aus ihrer Verwandtschaft (womöglich Waisenkinder) bei sich wohnen ließen. Ausgedehnter Gebrauch wurde auch vom so genannten „Gastungsrecht“ gemacht. Ursprünglich war dieses Recht, als Gast im Kloster Wohnung und Beköstigung zu erhalten, dem Landesherrn und seinem Gefolge vorbehalten gewesen.  Anscheinend konnten später die Nonnen auch Freunde und Verwandte einladen.

Spätestens im 19. Jahrhundert war es dann offenbar üblich, Verwandte nicht nur kurzzeitig zu beherbergen, sondern auch für längere Zeit im Kloster wohnen zu lassen. So wohnte eine Schwester der Stiftsdame Elisabeth von der Goltz im Kloster und starb auch dort, ebenso die Mutter der Stiftsdame (und späteren Oberin) Olga Pförtner von der Hölle. Die Stiftsdame Mathilde von Düsterlho beherbergte ihre Schwester, die Generalswitwe Wilhelmine Minette von Manstein, bei sich. Und wiederum war es die Familie von Ziemietzky, die in dieser Reihe nicht fehlen durfte. Eine Nichte der beiden Zehdenicker Stiftsdamen aus dieser Familie hielt sich vor ihrer Verlobung im Jahr 1860 zwei Jahre lang im Stift Zehdenick auf.

Im Fokus: Die Präbenden

Besonders seit der Revolution von 1848 flammte immer wieder Kritik an den vermeintlich ungerechtfertigten Vorteilen auf, die bestimmten Adelsfamilien durch die Damenstifte zuflossen. Die Regierung jedoch stützte das bestehende System. So wurde dem Abgeordnetenhaus am 10.2.1868 berichtet: „Es wird nötig sein, die Fonds der schon bestehenden Stifter zu verstärken, um die darin vorhandenen Stiftsstellen etwas zu vermehren, auch hier und da vielleicht die Stifts-Gebäude zu erweitern und die Präbenden etwas aufzubessern, die teilweise noch von so geringem Betrage sind, dass man damit unter den heutigen Verhältnissen weder leben noch sterben kann.“

Wirkliche soziale Notlagen waren bekanntermaßen an ganz anderen Stellen des preußischen Staates zu finden. Große Teile des Adels aber zeigten anscheinend keinerlei Hemmungen, unter verschiedenen Vorwänden Leistungen von einem Staat einzufordern, den sie als ihr Eigentum betrachteten.

Wie sah es mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Stiftsdamen in Wirklichkeit aus? Die Präbenden bestanden zu einem großen Teil aus Naturalleistungen, so dass ihr Geldwert Schwankungen unterworfen war. In der Mitte des 19. Jahrhunderts betrug der Wert einer  Zehdenicker Präbende etwa 276 Taler. Damit wurde zwar nicht die Höhe des Einkommens der oberen Mittelschicht erreicht das mit über 400 Talern angegeben wird.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Stiftsdame von ihrem Einkommen keine Familie zu unterhalten hatte und insbesondere nicht für eine standesgemäße Erziehung, Ausbildung und Ausstattung der nachfolgenden Generation aufkommen musste. Mit dem Wert seiner Präbenden lag Zehdenick hinter Heiligengrabe und Lindow zurück, jedoch noch vor Marienfließ. In dieser Abstufung dürfte sich eine inoffizielle Rangfolge der vier märkischen Damenstifte abgebildet haben.

Bei den Zahlen, die hier für die Jahre um 1860 angegeben wurden, blieb es nicht. Im Jahr 1893 belief sich eine volle Präbende auf 990 Mark jährlich (entspricht 330 Talern). Der Oberin stand außerdem eine Funktionszulage in Höhe von 150 Mark zu. Die beiden neu geschaffenen Minorpräbenden beliefen sich auf je 600 Mark. Auch in Heiligengrabe wurden die Präbenden 1881, 1901 und wiederum 1913 deutlich aufgestockt, ebenso im Jahr 1890 die Präbenden im westfälischen Stift Keppel. Man darf wohl davon ausgehen, dass solche Wohltaten nicht auf die drei genannten Stifte beschränkt geblieben sind.       

Wie wurden die Mittel aufgebracht?

Die Einkünfte des Klosters Zehdenick kamen im Jahr 1857 zu etwa vier Fünfteln aus dem Haushalt des königlichen Amtes, davon drei Fünftel in bar und ein Fünftel in Form von Brennholz. Das restliche Fünftel setzte sich  aus verschiedenen Pacht-, Zins- und ähnlichen Einnahmen zusammen, die zum Teil ebenfalls als Naturalien einkamen. Daraus ist zu schließen, dass dem Kloster damals noch einiger Haus- und Grundbesitz in Zehdenick, Falkenthal und Klein-Mutz verblieben war. Die Einkünfte in Höhe von insgesamt etwas mehr als 1850 Talern flossen (nach Abzug von 25 Talern für den Klosterdiener) in die Präbenden der Stiftsdamen. Für die bauliche Unterhaltung des Klosters musste das königliche Amt aufkommen.

Ein königlicher Coup

Man kann also festhalten, dass die Präbenden der Damenstifte den preußischen Staatshaushalt nicht direkt belasteten, weil sie aus Sondervermögen finanziert wurden. Damit waren sie auch den Debatten und Beschlüssen der beiden Kammern des preußischen Parlaments entzogen. Das hatte zur Folge, dass die Präbenden damals auch nicht ständig Gegenstand öffentlicher Diskussion waren.

Jedoch hatte schon die Revolution von 1848/1849 bei Friedrich Wilhelm IV. die Befürchtung geweckt, die Kammern würden früher oder später auf eine Konfiskation der Klöster drängen, die nicht mehr als kirchliche, sondern als staatliche Einrichtungen angesehen wurden. Deshalb entwickelte der König den Plan, die Damenstifte dem neu gegründeten Oberkirchenrat zu unterstellen, auf den das Parlament keinen Einfluss hatte. Dieser Schritt wurde 1853 für das Stift Heiligengrabe tatsächlich vollzogen. Die mit der Bildung des Oberkirchenrats einhergehende Stärkung des behördenkirchlichen Elements ist als ein Akt von kirchenpolitischem Spätabsolutismus bezeichnet worden. Bei den anderen preußischen Damenstiften kam es jedoch nicht mehr dazu. Sie blieben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unter staatlicher Verwaltung.

Wieder und wieder: die Frage nach dem „Nutzen“

Friedrich Wilhelm IV. beabsichtigte nicht nur, die Damenstifte dem Zugriff politisch dominierter Kräfte zu entziehen. Sie sollten auch ihren Charakter als reine Versorgungsanstalten (der sie angreifbar machte) aufgeben. An die mittelalterliche Rolle der Nonnenklöster anknüpfend, sollten sich die Stifte der Bildung und Erziehung junger Mädchen, der Betreuung von Kranken und Gebrechlichen und ähnlichen Diensten an der Gesellschaft widmen. Auch diesen Plänen war kaum ein Erfolg beschieden. Nur in Heiligengrabe und im westfälischen Keppel nahmen Schulen für adlige junge Mädchen ihre Tätigkeit auf. Im Jahr 1874 erteilte Wilhelm I. den weiter gehenden Plänen seines Vorgängers auch offiziell eine Absage.

Während das Leben der Nonnen in der vorreformatorischen Zeit in ein festes Regelwerk eingebunden war, hatten sich die Zügel in den folgenden Jahrhunderten allmählich gelockert. Der gemeinsame Tisch und das gemeinsame Wohnen im Dormitorium wurden aufgegeben,  an ihre Stelle trat das Leben in der eigenen „Wohnungs-Curie“. Die „Klausur“, das Abgeschlossensein in einem engen Bereich des Klosters, wurde aufgehoben, Beurlaubung und Befreiung von der Residenzpflicht wurden möglich. Manche Stifte, wie zum Beispiel Geseke und Keppel, waren gar nicht mehr darauf angelegt, den Stiftsdamen eine Wohnung zu bieten, sondern beschränkten sich auf die Zahlung einer Präbende an ihre über ganz Preußen verstreuten Stiftsdamen. Soweit noch eine Residenzpflicht bestand, wurde die Zusammengehörigkeit der Konvente immerhin noch durch eine einheitliche Kleidung, Teilnahme an den Gottesdiensten und Betstunden sowie gemeinsames Auftreten bei feierlichen Anlässen betont.

„Stiftsdame“ – der Ausweg für das adlige Fräulein

Jede Inhaberin einer Stiftsstelle wurde mit ihrer Ernennung zur Nutznießerin einer ansehnlichen Versorgung, die kaum noch mit irgendwelchen Pflichten verbunden war. Das führte zu einer anhaltend hohen Nachfrage. Bedingt durch die häufigen Kriege, die unter den jungen Männern hohe Opfer forderten, war oft ein Überschuss unverheirateter adliger Jungfrauen vorhanden. Hinzu kam, dass zwar ein Mann eine nicht „ebenbürtige“ Frau heiraten konnte, ohne seinen adligen Stand zu verlieren, dies umgekehrt einer Frau aber nicht möglich war.

Zuweilen scheiterte die Absicht, eine Tochter zu verheiraten, auch am Fehlen einer entsprechenden Mitgift. Adelsfamilien konzentrierten ihren Besitz häufig beim ältesten Sohn, wo er der „Erhaltung adeligen Stamms und Namens“ dienen sollte. Da blieb für die Ausstattung der Töchter manchmal nicht viel übrig. Und so zogen es die jungen (oder nicht mehr ganz so jungen) Männer von Adel nicht selten vor, eine reiche Bürgerstochter zu heiraten, um die eigene wirtschaftliche Situation zu sanieren.     

Für die unverheiratet bleibenden Frauen war die Stelle einer Stiftsdame auch deshalb begehrt, weil sie einen anerkannten Platz in der Gesellschaft sicherte. Das wurde noch unterstrichen durch die Verleihung eines Ordens. Nachdem für das Stift in Halle bereits im Jahr 1707 eine solche Auszeichnung geschaffen worden war, erhielten zwischen 1740 und 1846 alle vier märkischen Damenstifte ihren Stiftsorden. Zehdenick war am 13.5.1787 an der Reihe.

Das Kollationsrecht wird zum Politikum

Die Vergabe der begehrten Stiftsstellen (das Kollationsrecht) oblag für Zehdenick (vermutlich seit dem 18. Jahrhundert) allein dem König, während die Königin das „Recht der ersten Bitte“ hatte, also einmalig anlässlich ihrer Thronbesteigung eine Präbende vergeben konnte. Kurz nach dem Beginn der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV., im August 1840, übertrug dieser König das Kollationsrecht seiner Gemahlin Elisabeth. Dabei blieb es dann bis zum Tod der Königinwitwe am 14.12.1873. Mit diesem Datum fiel das Kollationsrecht wieder an den preußischen König zurück. Nicht in allen Damenstiften hatte der König das Recht, ausnahmslos alle Stellen zu besetzen, aber er bemühte sich erfolgreich darum, dieses Recht nach und nach auszudehnen. Mehrere private Stiftungen blieben ihm jedoch verschlossen.

Wie bereits erwähnt, hatte der märkische Adel in der Reformationszeit darauf bestanden, einige der ehemaligen Nonnenklöster zu erhalten, um sie zur Unterbringung seiner unverheirateten Töchter zu nutzen. Entsprechende Zusagen hatte der Kurfürst 1564 und 1572 gegeben und 1653 erneuert. Aber schon 1696 mussten die in Berlin anwesenden Prälaten, Grafen, Herren und Ritter den Kurfürsten an diese Zusagen erinnern. Sie beklagten, einheimische adlige Landeskinder seien gegen bürgerliche oder fremde Personen zurückgesetzt worden, „wie denn noch neulich zwei Kloster-Jungfrauen aus Franken im Kloster Zehdenick eingesetzt worden seien“.

Fränkische Jungfrauen

Wie kamen fränkische Jungfrauen nach Zehdenick? Die fränkische Markgrafschaft Ansbach wurde damals von einer Nebenlinie des Hauses Hohenzollern regiert und lag gegen Ende des 17. Jahrhunderts offenbar schon im Blickfeld der kurfürstlichen Politik, auch wenn der (vorübergehende) Anschluss an Preußen noch knapp hundert Jahre auf sich warten ließ. Obwohl der Kurfürst in diesem Fall auf die Beschwerde der märkischen Landstände noch beschwichtigend antwortete, zeichnete sich in der Besetzungsfrage doch schon ein neuer Kurs ab, der auf die einheimische Herkunft der Anwärterinnen immer weniger Rücksicht nahm. Bevorzugt wurden jetzt Töchter hoher Beamter und Offiziere unabhängig von ihrer territorialen Herkunft. Mit dem Auf- und Ausbau eines stehenden Heeres und einer modernen Verwaltung waren fähige Offiziere und Beamte zu einer gefragten Ressource geworden, die man in ganz Europa anwarb, wo man sie finden konnte. Einer der Vorteile, die man dieser Schicht, die sich neu in der brandenburgisch-preußischen Gesellschaft etablierte, bieten konnte, war die Unterbringung ihrer unverheirateten Töchter in den Damenstiften.

Einzug der „Reformierten“

Die so Angeworbenen kamen häufig aus Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden, die gegenüber den brandenburgisch-preußischen Verhältnissen einen Entwicklungsvorsprung besaßen. Die neuen Männer brachten nicht selten ihr calvinistisches Glaubensbekenntnis mit, und so kam es bald dazu, dass „reformierte“ Töchter in die bis dahin rein lutherischen Damenstifte einzogen. Dort, wo sich Widerstand regte, wurde die Gleichberechtigung des reformierten Glaubens mit aller Entschiedenheit durchgesetzt. Am 2.2.1710 hielt der neu eingesetzte reformierte Geistliche Adolph Christoph Stosch aus Berlin in der Zehdenicker Klosterkirche seine Antrittspredigt. Von nun an fanden dort Gottesdienste beider Konfessionen statt.

Auswahl der Bewerberinnen

Um Stiftsdame zu werden, musste man zunächst in den Kreis der „Expektivierten“ aufgenommen werden. Auch über einen solchen Antrag entschied letztlich der König. Zugelassen wurden in der Regel nur adlige ledige Frauen. Allerdings wurden an die Qualität des Adels (jedenfalls in dem hier betrachteten Zeitraum) kaum besondere Anforderungen gestellt. So kamen auch Bewerberinnen zum Zuge, deren Väter gerade erst in den Adelsstand erhoben worden waren. Erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts fanden auch einige wenige nichtadlige Bewerberinnen Berücksichtigung (Mathilde Bachmann, Hermine Sturmhöfel und Klara Hegel). Schon lange vorher, am 11. Juli 1811, hatte eine Kabinettsorder den Weg zur Ernennung „armer Töchter bürgerlicher Offizianten“ freigemacht. 

Im Unterschied etwa zum Stift Heiligengrabe ist aus der Zeit bis 1945 bisher kein Fall ermittelt worden, in dem eine verwitwete Frau zur Zehdenicker Stiftsdame ernannt worden wäre. Dass eine Stiftsdame das Kloster wieder verließ um zu heiraten, ist nur aus dem 17. und 18. Jahrhundert bekannt, danach nicht mehr.

Die preußischen Könige hatten mehrfach bekundet, bei der Besetzung der Stiftsstellen neben der Bedürftigkeit der Bewerberinnen vor allem die besonderen Verdienste ihrer Väter zu berücksichtigen und dabei solche Frauen zu bevorzugen, deren Väter bzw. Ernährer im Kampf für das Vaterland gefallen waren. Bei nicht wenigen Ernennungen fällt es dem heutigen Betrachter allerdings schwer, die Berücksichtigung dieser Maßstäbe glaubhaft nachzuvollziehen. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, als hätten persönliche Beziehungen zu Hofkreisen nicht selten die ausschlaggebende Rolle für den Erfolg einer Bewerbung gespielt.  

Die territoriale Expansion Brandenburg-Preußens

Ein starker Einfluss auf die Besetzungspolitik der Stiftsdamenstellen ging von den zahlreichen Gebietserweiterungen aus, die Brandenburg-Preußen von 1648 an erlebte. Der Erwerb Hinterpommerns im Gefolge des Westfälischen Friedens hatte noch keinen solchen Schub zur Folge, da dieses Land selbst mehrere Damenstifte mit einer beachtlichen Anzahl von Präbenden aufwies. Doch schon die 1657 hinzukommenden Lande Lauenburg und Bütow, am Ostrand Pommerns gelegen, brachten potenzielle Bewerberinnen hinzu, ebenso die 1680 erworbenen Territorien Magdeburg und Halberstadt. Weit bedeutender noch waren die Erwerbungen in der Zeit Friedrichs II. durch die Schlesischen Kriege und die erste Teilung Polens im Jahr 1772.

Die Sicherung und Durchdringung dieser großen Gebiete brachte den preußischen Staat an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, denn mit der Entsendung von ein paar Regimentern und Beamtenkadern war es nicht getan. Schlesien, Westpreußen und ab 1815 besonders auch Posen konnten in den preußischen Staat nur dann nachhaltig integriert werden, wenn es gelang, im einheimischen Adel Partner zu finden, die an die Hohenzollernmonarchie gebunden werden konnten. In den neuen Ostgebieten Preußens mit einem hohen Anteil katholischer und polnischer Bevölkerung fand die preußische Herrschaft vorzugsweise in evangelischen Adelsfamilien, gleich welcher Nationalität, seine natürlichen Verbündeten. Zusätzlich bemühte sich vor allem Friedrich Wilhelm II., Adelsfamilien aus den preußischen Kerngebieten zur Ansiedlung in den neuen Ostprovinzen zu gewinnen. Diese Ansiedlungspolitik wurde nach 1815 auch auf das neu hinzugekommene Großherzogtum Posen übertragen.

Polnische und ostdeutsche Adelstöchter in Zehdenick

Im Zuge dieser Entwicklungen wurde das Stift Zehdenick, aus welchen Gründen auch immer, zum bevorzugten Unterbringungsort für die unverheirateten Töchter des evangelischen Adels in den preußischen Ostgebieten. So kam es, dass zwischen 1875 und 1945 alle sechs Stiftsoberinnen, die in diesem Zeitraum dem Kloster vorstanden, aus Schlesien, Posen oder Westpreußen kamen, davon drei aus Familien des polnischen Adels. Ergänzt wurde diese eindrucksvolle Reihe noch durch mehrere Stiftsdamen und Ehrenstiftsdamen gleicher Herkunft. Die Besetzung der Stiftsstellen in Zehdenick war somit zu einem Herrschaftsinstrument der preußischen Könige in Bezug auf die Ostprovinzen geworden.

Der Widerstand des brandenburgischen Landadels gegen die zunehmende Zurücksetzung seiner Töchter hatte sich bereits lange vorher erschöpft. Zu sehr war der Landadel durch die neue Bürokratie und das Heer schon auf eine nur noch regional bedeutsame Rolle verwiesen worden, und als zu mächtig hatte sich gegenüber den Landständen der Monarch etabliert. Der König berief die Landtage ein oder nicht und diktierte ihre Tagesordnung, wie er wollte. Allerdings ist eine schematische Gegenüberstellung von Landadel einerseits und Militär- und Beamtenadel andererseits an dieser Stelle nicht angebracht. Zum einen handelte es sich oft um Vertreter der gleichen Familien, zum anderen hatten viele adlige Grundbesitzer auch einen militärischen Rang erworben.

Bei der Besetzung der Stellen in den Damenstiften konnte der Monarch die „Landeskinder“ der jeweiligen Region schon deshalb nicht bevorzugen, weil sich erhebliche Ungleichgewichte in der territorialen Verteilung der Präbenden herausgebildet hatten. Außerdem lag das Besetzungsrecht für drei pommersche und alle vier schlesischen Stifte nicht beim König.

Der bedeutende Gebietszuwachs Preußens im 18. und 19. Jahrhundert und die erhebliche Zunahme der Bevölkerung sowohl in den Kerngebieten als auch in den neu erworbenen Territorien veranlasste den König weder zur Neugründung von Damenstiften noch zu einer nennenswerten Bereitstellung zusätzlicher Präbenden in den bereits bestehenden Stiften. Die zwischen 1807 und 1813 im Rheinland und im Königreich Westfalen unter französischem Einfluss aufgelösten Stifte, darunter einige in der Altmark, wurden zum großen Teil nicht wiederbelebt. Die Gründung neuer Stifte blieb privater Initiative überlassen. So gründeten zum Beispiel reiche Adlige in Schlesien die Stifte Kapsdorf (1837), Görlitz (1864) und die Stiftung Burghaus in Breslau (1885).

Im Jahr 1803 hatte der Reichsdeputationshauptschluss (an dessen Formulierung Brandenburg maßgeblich mitgewirkt hatte) den Weg frei gemacht, die geistlichen Fürstentümer und reichsunmittelbaren Stifte einzuziehen und aufzuheben. Für Friedrich Wilhelm III. bedeutete dies, auch freie Hand gegenüber den eigenen Damenstiften zu haben, die sich nun nicht mehr auf althergebrachte Rechte berufen können sollten. In diesem Zusammenhang betonte er: „Ich bin demnach entschlossen, sämtliche Stifter in Meinen alten Reichslanden als das beste Mittel, Verdienste um den Staat zu belohnen, bestehen zu lassen.“

Der König selbst und seine Nachfolger taten jedoch kaum etwas, um diesem „besten Mittel“ eine breitere Basis zu geben. Eine Ausnahme bildete die vereinigte Präbendenstiftung Geseke und Keppel, die 1826 erst 19 Präbenden ausgereicht hatte, deren Anzahl aber bis 1890 schrittweise auf 90 erhöht wurde, um dann 1905 wieder auf 60 reduziert zu werden. Unter den Keppeler Stiftsdamen befanden sich auch einige katholische bzw. bürgerliche Frauen.  

Ein Ausweg aus dem Dilemma der unzureichenden Anzahl von Stellen, wenn auch nur ein sehr schmaler, wurde in der Ernennung von Ehrenstiftsdamen gefunden. Sie hatten wohl nicht immer Anspruch auf eine Präbende, wohnten nicht im Stift und hatten auch für die Kosten ihrer Einkleidung und ihres Ordens selbst aufzukommen. 1851 wurde Emilie von Treskow als erste von insgesamt 21 Ehrenstiftsdamen in Zehdenick ernannt. Erst zwölf Jahre später folgte ihr Ferdinande von Schmettau. In Heiligengrabe war bereits 1791 die erste von dort insgesamt 79 Ehrenstiftsdamen ernannt worden).

Nach dem Ende der Hohenzollernherrschaft, in der Zeit der Weimarer Republik, wurden die Stiftsdamen durch den preußischen Innenminister ernannt. In Zehdenick war der Institution „Stiftsdame“ ein Tod auf Raten beschieden. Am 4. April 1970 starb Margarete von Sodenstjerna, die letzte Stiftsdame und zugleich Oberin des Klosters Zehdenick. Auf dem Begräbnisplatz des Stiftes, einem abgesonderten Teil des Zehdenicker Friedhofs I, hat sie ihre letzte Ruhe gefunden. Mit ihr ging eine Tradition von 720 Jahren zu Ende.